Güterbahnhof12 gewinnt den Handels-Oscar

Die Uhren, die hinter der Kassentheke unseres deutschen gia-Siegers 2011/12 hängen, sollen an die Vergangenheit erinnern. Wo früher in hektischer Betriebsamkeit Eisenbahner Waren abfertigten, lädt heute das Marburger Fachgeschäft Güterbahnhof12 dazu ein, Wohnwelten anders zu erleben.

Der Standort in dem ehemaligen Industriegebäude direkt neben dem Hauptbahnhof macht den diesjährigen gia-Preisträger unverwechselbar. Das allein wäre für den Sieg aber nicht ausschlaggebend gewesen. Die stil& markt-Jury, die für die amerikanische International Housewares Association (IHA) als exklusiver gia-Partner in Deutschland den Handels-Oscar verleiht, überzeugte das Gesamtkonzept der Marburger.

Die Inhaber Silvia Hinkel und Michael Seibert wollten ein Wohngeschäft einrichten, das ganz unterschiedliche Altersklassen und Kundenstrukturen anspricht – vom gutsituierten Publikum bis hin zum Studenten. Gemeinsamer Nenner ist das Interesse an Design. «Wir bieten keine Standardware an, sondern schöne Funktionsmöbel unabhängig von vorbestimmten Abteilungen, die mit Wertigkeit und Variabilität überzeugen», erläutert Silvia Hinkel den Ansatz.

Großer Bahnhof für Design

Deshalb richte man sich nicht an eine bestimmte Zielgruppe, sondern an Menschen, die für ihre individuelle Einrichtung das Besondere mit dem gewissen Extra suchen. Und davon finden sie im sogenannten «Wohnmagazin» eine ganze Menge: Die saisonal wechselnde Auswahl reicht von massiven Holz-Esstischen und passenden Stühlen über dicke Woll-Teppiche, moderne Funktionssofas und Gartenmöbel bis hin zu ausgefallenen Accessoires wie Spiegel, Bilder, Lampen und Uhren.

Mit dem alten Backsteingebäude wurde eine ganz besondere Bühne für die Design-Produkte geschaffen. Eine, die ihre Bahnhofsvergangenheit nicht verleugnet. Das fängt gleich im Eingangsbereich an, wo auf den Laderampen Ware inszeniert wird. Der Verkaufsraum selbst ist mit seiner Länge von knapp 70 Metern und seiner Breite von 11 Metern eigentlich der Albtraum jedes Ladenbauers. Die Güterbahnhof12-Leute haben aus der Not eine Tugend gemacht. Die Längsachse gibt der Warenpräsentation Dynamik. Die wird von der Beleuchtung zusätzlich unterstrichen: Anstatt mehrerer beleuchteter Ecken gibt es in der Mitte des Ladens eine hohe Stromschiene, an der individuelle Lampen hintereinander hängen. z.B. ein Modell mit einem «Schirm» aus Trinkgläsern oder eines mit Kristallen, die die Sonnenstrahlen reflektieren.

Nostalgie und Moderne

Die Backsteinwände sind in ihrer Ursprünglichkeit erhalten geblieben, ebenso die alten Eisenträger und die Rolltore. Eisenbahner-Flair verströmen auch die Stückgutwaagen, die kunstvollen ursprünglichen Leuchten und die ausgebleichten Fahrpläne. Nicht zu vergessen die Uhren und das originale Güterbahnhofs-Schild hinter dem Kassentresen. Letzteres wurde von Michael Seiberts Vater liebevoll restauriert. So entstand ein Loft-Ambiente, das wohldosierte Nostalgie mit modernen Wohnideen verbindet.

Bei der Gründung des Wohn-Geschäftes konnten die beiden Inhaber auf langjährige Handelserfahrung zurückgreifen. Sie betreiben einen weiteren Laden mit Wohnaccessoires in der Marburger Innnenstadt, Ketzerbach12 genannt. Nicht nur die Namen lassen die Verbindung zwischen den beiden Geschäften deutlich werden. Selbstverständlich wird kooperiert, wodurch bei Order und auch bei Werbung Kosten gespart werden. Bevor der Güterbahnhof12 im Oktober 2009 eröffnete, hatten Hinkel und Seibert den Marburger Markt analysiert, nächtelang Wohnzeitschriften studiert und in ganz Deutschland Geschäfte besucht, die sich in ähnlichen Räumlichkeiten befinden. Fast ein Jahr habe es gedauert, um die Halle so umzubauen und zu renovieren, bis man einziehen konnte, erzählt Michael Seibert von den Anstrengungen und Mühen der Verwandlung, bei der vor allem die Familie und Freunde kräftig mithalfen.

Ausstellungen und Aktionen

Das Sortiment wurde dann ganz individuell zusammengestellt. Hochwertige Möbelstücke von Brühl, die Collection oder Venier werden mit Design-Accessoires von Blomus, Carus oder Alessi kombiniert. Darüber hängen z.B. ausgefallene Lampen von Sompex, an den Wänden Bilder von internationalen Künstlern und als Blickfang z.B. ein glitzernder Panther der Firma Kare. Das Konzept kommt an. Nicht nur wegen des Sortiments, sondern auch, weil das Güterbahnhof12-Team sich immer wieder mit besonderen Ideen ins Gespräch bringt.

In der Halle finden wechselnde Kunstausstellungen statt, mit Live-Musik und Fingerfood, für das man mit örtlichen Feinkostgeschäften kooperiert. In diesem Jahr gab es außerdem einen Fotowettbewerb, zu dem Kunden sich im Laden auf einem «Fatboy»-Sitzsack ablichten lassen konnten. Die originellste Pose wurde ausgezeichnet. Aber auch im ganz normalen Tagesgeschäft lädt das Ambiente zum Verweilen ein. Es gibt zum Entspannen ein überdimensionales Schach- und ein nostalgisches Tischfußball-Spiel und natürlich erhalten die Kunden auf Wunsch einen Espresso oder ein Glas Prosecco. Vielleicht haben sie ja im Frühjahr einen weiteren Grund, mit Silvia Hinkel und Michael Seibert anzustoßen – wenn der Güterbahnhof12 es bei der gia-Endrunde auf der International Home + Housewares Show in Chicago unter die besten fünf Fachgeschäfte weltweit schafft.

Text: stil & markt

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